Gottesbild
Die Bahá'í-Religion hat ein streng monotheistisches und transzendentes Gottesbild. Laut Bahá'u'lláh ist Gott unfaßbar, unerkennbar und über alle Eigenschaften und Begriffe, sowie über alles menschliche Verstehen erhaben.
So vollkommen und umfassend ist Seine Schöpfung, daß kein Verstand, so scharf er auch sei, und kein Herz, wie rein auch immer, das unbedeutendste Seiner Geschöpfe in seinem Wesen jemals erfassen, wieviel weniger das Geheimnis Dessen ergründen können, der die Sonne der Wahrheit, das unsichtbare, unerkennbare Wesen ist. Die Vorstellungen der frömmsten Mystiker, die Bildung der Geistesfürsten unter den Menschen, das höchste Lob, das des Menschen Zunge oder Feder ausdrücken können, sind alle die Frucht des begrenzten menschlichen Verstandes und durch dessen Beschränkungen bedingt. Zehntausend Propheten, jeder ein Moses, sind auf dem Sinai ihres Suchens wie vom Donner gerührt durch Seine verbietende Stimme: "Du sollst Mich niemals schauen!", während eine Myriade Sendboten, jeder so groß wie Jesus, bestürzt vor ihren himmlischen Thronen stehen bei dem Verbot: "Mein Wesen sollst du niemals begreifen!" Seit unvordenklichen Zeiten ist Er in der unaussprechlichen Heiligkeit Seines erhabenen Selbstes verschleiert gewesen, und ewig wird Er in dem undurchdringlichen Geheimnis Seines unerkennbaren Wesens verhüllt sein. jeder Versuch, zu einem Verständnis Seiner unerreichbaren Wirklichkeit zu gelangen, endet in vollkommener Verwirrung, und jedes Bemühen, Seinem erhabenen Selbst zu nahen und Sein Wesen zu schauen, führt zu Hoffnungslosigkeit und Fehlschlag.1
Wie aber nun kann man nach etwas Suchen das man gar nicht finden kann?
Liest man die Bahá'í-Schriften in ihrer Gesamtheit, wird allmählich klar, das es zwar unmöglich ist Gott zu finden, aber das Ziel der Suche nach Gott ist das finden des eigenen Selbstes, aber desjenigen Selbstes das uns von Gott gegeben wurde und nicht unser kleines Ego. Es ist das Selbst das die göttlichen Eigenschaften offenbart und damit das Göttliche offenbart. In einen gewissen Sinne sind das nicht mehr wir, sondern Gott, den es ist von ihm und offenbart damit seine Eigenschaften. In einem gewissen Sinne ist dies auch unser wahres Ich, da es das ist woraus wir eigentlich sind. Bahá'u'lláh setzt an einer Stelle auch die Gotteserkenntnis mit der Selbsterkenntnis gleich und weiterhin schreibt er auch:
Was immer Du Deinen Dienern als Pflicht auferlegt hast, damit sie Deine Majestät und Herrlichkeit aufs höchste preisen, ist nur ein Zeichen Deiner Gnade für sie, auf daß sie fähig werden, zu der Stufe aufzusteigen, die ihrem eigenen innersten Wesen verliehen wurde, der Stufe der Erkenntnis ihres eigenen Selbstes.2
Dies sollte jedoch niemals jemanden dazu verleiten sich als Göttlich zu betrachten. Solches ist wiederum nichts anderes als wie ein aufblähen des eigenen kleinen Egos, das immer wieder nur Gott spielen will. Bahá'u'lláh schreibt über die islamischen Mystiker die dem Pantheismus anhängen:
Was die vorerwähnten Personen über die Stufen der göttlichen Einheit behaupten, wird in erheblichem Umfang zu Müßiggang und leerem Wahn führen. Diese sterblichen Menschen schieben offensichtlich die Stufenunterschiede beiseite und betrachten sich selbst als Gott, wo doch Gott unermeßlich erhaben über alle Dinge ist. Jedes erschaffene Wesen offenbart zwar Gottes Zeichen; diese sind indessen nur von Ihm, nicht Er selbst. Alle Zeichen spiegeln sich im Buche des Seins und sind dort sichtbar. Die Schriftrollen, welche den Bauplan des Alls aufzeichnen, sind fürwahr ein machtvolles Buch. Jeder Einsichtige kann daraus entnehmen, was ihn auf den Geraden Pfad führt und ihn befähigt, zur Großen Verkündigung zu gelangen. Betrachte die Strahlen der Sonne, deren Licht die Welt umfängt. Diese Strahlen gehen von der Sonne aus und offenbaren deren Wesen, aber sie sind nicht die Sonne selbst. Alles, was auf Erden wahrgenommen werden kann, beweist zur Genüge die Macht Gottes, Sein Wissen und die Ausgießungen Seiner Großmut, während Er selbst unermeßlich erhaben über alle Geschöpfe ist.3
Bei alledem sollte man auch folgendes Bedenken: Die Erkenntnis der Unerkennbarkeit Gottes ist auch eine Erkenntnis. Diese Erkenntnis nun wiederrum hat vor allem die Frucht der Demut. Man muß die eigene Kleinheit und Unfähigkeit Gott zu erkennen eingestehen. Auch Sokrates sagte bereits: "Ich weiß, das ich nichts weiß."